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Hört uns endlich zu!

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Hört uns endlich zu!
Gespräche mit Kindern und Jugendlichen

„Krieg und Klima, einfach nervig!“ — Arman, 10 Jahre

Junge Menschen von neun bis achtzehn Jahren erzählen aus ihrem Leben, von ihren Gedanken, Gefühlen und Wünschen. Sie sprechen über ihre Sorgen und Ängste, über Freude und Glück.

Das Buch beantwortet Fragen wie: Was möchtet ihr der Generation eurer Eltern und Großeltern sagen? Wie denkt ihr über die aktuellen Krisen? Wie seht ihr eure persönliche Zukunft?

Ergänzend schildern einige Erwachsene ihre Sicht auf Kinder und Jugendliche.

Authentisch und berührend.

Mit einem Vorwort von Prof. Klaus Hurrelmann.

Herstellung und Verlag: BoD — Books on Demand, Norderstedt
184 Seiten, DIN A5, Softcover, 14,80 €, ISBN 978-3-7578-8943-2
E-Book: ISBN 978-3-7583-8939-9

► Leseprobe und Bestellung auf www.bod.de  und im Buchhandel

Blumen oder Gras

Jenny und Arman, beide zehn, und Elias, neun Jahre.

Arman ist ehrlich. Er hat sich auch aus Neugier für unser Gespräch gemeldet. Jenny möchte etwas verändern, aber: „Zuerst sollen die anderen sprechen.“

Also geht es mit Elias weiter: „Mein Vater möchte wissen, was wir Kinder sagen. Ich soll es ihm erzählen, damit er versuchen kann, etwas zu ändern.“

Jetzt, Jenny, du bist dran!

„Ich möchte, dass meine Eltern – die sind herzensgute Menschen, aber sie haben halt nicht so viel Zeit für mich – deswegen möchte ich gerne, dass die das Buch lesen. Sie haben gesagt, sie lesen es auf jeden Fall, sie kaufen es, auch wenn es tausend Euro kostet. Und ich wollte halt vor allem über Krieg und Klimawandel sprechen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre der: NIE wieder Krieg. Weil da hat man schon sehr Angst. Arman hat es ja selbst miterlebt, das ist echt schlimm.“

Arman spricht nicht so gerne darüber. „Ich finde, Krieg ist ein sehr, sehr schlimmes Thema. Ich hab’s ja damals erlebt, aber nur so halb-halb, weil ich war drei Jahre alt, als ich von Afghanistan nach hier geflüchtet bin. Es war das Schlimmste, was ich erlebt habe. Durch den Krieg …“, er stockt, setzt neu an: „Nichts zu wissen hier, nichts zu kennen, keine Sprache damals, nur Afghanisch. Dann hab ich aber schnell Deutsch gelernt, weil ich hier im Kindergarten war. Jetzt hab ich einen Ausweis, wir alle haben einen Ausweis, Gott sei Dank, wir haben eigentlich alles, damit wir leben können. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie alles für mich gemacht haben, dass sie mich in die Schule gebracht haben, dass sie mir, als mich jemand geprügelt hat, geholfen haben und solche Sachen.“

Jenny möchte über das Klima reden, aber Arman lässt sich nicht ablenken.

„Meine Mutter war als Kind nicht einmal in einer Schule. Meine Familie wollte eigentlich nicht nach Deutschland. Sie haben nur gesagt, wir möchten nach Europa gehen, damit es uns besser geht als in Asien.“

Und jetzt bist du zufrieden?

„Ja. Aber manchmal kommt dann doch wieder eine Traurigkeit, die kommt einfach rein und ich kann’s nicht mehr loswerden.“

Möchtest du uns sagen, was dir dann wehtut?

„Dann habe ich irgendwie gar keine Lust mehr auf alles. Ich möchte dann wieder in meine Heimat gehen, ich weiß nicht warum, es mal dort angucken. Aber ich hab echt Glück, dass ich in Deutschland lebe, ich finde es hier schön.“

...

Jeden Tag neue Scheiße

Benedikt, sechzehn, und Karim, achtzehn Jahre.

Ende 2021 erregte die Supermarktkette Penny Aufsehen mit ihrem Werbespot Der Wunsch. Darin fragt ein Jugendlicher seine Mutter: „Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?“ Sie antwortet: „Ich wünsch mir, dass du nicht immer zu Hause rumhängst … dass du dich einfach rausschleichst … wir nicht wissen, wo du bist.“ Es folgen traumartige Szenen, in denen der Junge all das erlebt, was ihm in der Coronazeit verwehrt ist. Der Spot endet mit „Ich wünsch mir einfach, dass du deine Jugend zurückbekommst.“

Wie war das bei dir, Benedikt?

„Für mich das Schlimmste war, dass man nicht mehr seine Freunde getroffen hat, man auch nicht mehr zum Sport gekonnt hat. Und dass man jeden Tag dasselbe gemacht hat. Man wacht auf und weil man eh noch zwei Monate Lockdown hat, kann man ja einfach noch liegenbleiben. Und man kann auch erst morgen sein Zimmer aufräumen, weil es ist ja egal, es kommt eh keiner vorbei und schaut sich’s an.“

Bei Karim war das anders. „Ja, ist schon schlimm gewesen, aber ich hab in der Lockdown-Zeit wirklich sehr, sehr viel Spaß gehabt. Wir hatten keine Schule, wir haben uns trotzdem mit den Freunden getroffen, weil uns die Regeln egal waren. Wir haben auch alle Corona bekommen, irgendwann, und danach haben wir uns wieder getroffen, sind zusammen rausgegangen, haben zusammen Sport gemacht, weil die Gyms waren alle zu, man konnte halt nix Öffentliches machen, musste dann halt was Illegales machen.“

„Also, ich war da ein bisschen braver“, erzählt Benedikt, „ein bisschen anständiger. Ich habe auch jüngere Freunde, die jetzt in dem Alter sind, wie wir es damals waren. Die machen jetzt die Sachen mit, die wir machen, sind abends draußen und alles. Und das hat man schon verpasst. Ich glaube, ich hätte das auch gemacht, wenn meine Eltern das nicht die ganze Zeit verboten hätten. Aber dann hätte ich krasse Gewissenbisse bekommen. Wir haben dann später doch Möglichkeiten gefunden, uns zu treffen oder Sachen zu machen. Also, ich hab alles nachgeholt, was ich machen wollte. Ich bin jetzt eigentlich jeden Abend, das ganze Wochenende unterwegs.“

Und wie war das in der Schule?

„Da war es sehr, sehr entspannt. Ich hab nicht das Gefühl gehabt, als die Schule wieder losging, dass ich irgendwelche großartigen Lücken gehabt hätte. Ich hab nur das Allernotwendigste gemacht, aber ansonsten nix extra oder so, es war alles ganz locker. Und auch mit dem Homeschooling hat alles gut geklappt. Ich hab mit Corona abgeschlossen, es interessiert mich nicht mehr, es gibt andere Sachen, die mich mehr beschäftigen.“

Welche sind das?

„So Sachen, die in der Welt passieren. Auch Politik, Klimasachen, die Entscheidungen, die getroffen werden, die mich ankotzen.“

Karim mag Diskussionen übers Klima nicht, weil er in dem Thema nicht drin ist. Er weiß nur, dass wir irgendwie irgendwann mal im Arsch sind wegen dem Klima, aber er verfolgt das nicht.

Was kotzt dich an, Benedikt?

„Das war zum Beispiel die Lützerath-Debatte. Deswegen hab ich wirklich schlecht geschlafen. Da waren die ganzen Proteste, aber der Ort wird trotzdem weggebaggert, um Kohle zu fördern, um noch mehr CO2 in die Luft zu stoßen und noch mehr die ganzen Abmachungen fürs Einhalten von Klimazielen zu brechen. Ich war so sauer, dass das alles trotzdem durchgegangen ist. Da waren so viele Menschen dort, die das verhindern wollten. Das hat mich wirklich sehr, sehr geärgert, dass wieder so viel Lobbyismus passiert ist und Sachen, die es einfach nicht geben sollte. Dass irgendwelche großen Konzerne ihre Hände so tief in der Politik drinnen haben und Leute bestechen.“

...