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Krieg ist immer dumm

 ⊕ Leseprobe

Krieg ist immer dumm — Kindheit. Flucht. Neubeginn. — DAS BUCH

Eine Reportage aus Erlangen

Geflüchtete Kinder erzählen von ihrer Heimat, über ihre Flucht und über ihr Leben in Deutschland. Einheimische Kinder ergänzen die Sicht auf ein Stück Zeitgeschehen.

Hardcover gebunden, 30 Geschichten, 27 großformatige Schwarzweiß-Fotos, 96 Seiten, 24 cm x 21,5 cm, Selbstverlag, 19,80 EUR. Bei Postversand zzgl. Verpackung und Porto.

Das Buch ist erhältlich beim Autor und bei Bücher, Medien und mehr in Herzogen­aurach

Der Reinerlös des Buchverkaufs geht zu 100 Prozent an die Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung in Erlangen (EFIE e.V.).

>>>  Pressestimme Erlanger Nachrichten vom 14.12.2017




Ausstellung Krieg ist immer dumm

Krieg ist immer dumm — Kindheit. Flucht. Neubeginn. — DIE AUSSTELLUNG

Die Ausstellung in der Stadtbibliothek Erlangen vom 01.03. bis 16.04.2018 zeigte auf 21 Plakaten eine Auswahl von Geschichten, Zitaten und Fotografien aus dem gleichnamigen Buch.

>>>  Blog der Erlanger Stadtbibliothek


Krieg ist immer dumm

 ⊕ Leseprobe

Krieg ist immer dumm — Kindheit. Flucht. Neubeginn. — UNI-AUSGABE

Die inhaltlich nahezu identische Erstveröffentlichung von Krieg ist immer dumm erfolgte bei FAU University Press, dem Verlag der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Buch erscheint dort als Band 4 in der Reihe Erlanger Migrations- und Integrationsstudien, herausgegeben von Prof. Dr. Petra Bendel.

Softcover, 30 Geschichten, 22 Schwarzweiß-Fotos, 90 Seiten, DIN A5, 15,50 EUR.

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich.

Details finden Sie unter FAU University Press.


Meine Oma passt auf

Nina (10) und Luna (8) aus dem Irak

Ich kenne die Schwestern schon eine Weile. Mit ihnen will ich das Projekt starten, sie sind gespannt, was wir alles besprechen werden.

„Ich kann jetzt besser Deutsch schreiben und lesen als Kurdisch”, erzählt Nina. „Mit Mama und Papa spreche ich Kurdisch, ich kann alles sprechen Kurdisch, aber ich kann nicht so gut lesen, das ist, weil da sind welche Worte, die sind leicht, und manche, die sind schwer — deswegen. Mama möchte auch Deutsch können, das lerne ich immer mit ihr. Jede Nacht, sieben bis acht.”

Wer von eurer Familie ist denn hier in Deutschland?

„Nur wir sind da, aber ich hab noch zwei Onkel und Oma und Opa in Irak, deswegen bin ich traurig. Aber wir sprechen mit ihnen auf Handy. Onkel und Opa wollen auch nach Deutschland kommen, da würden wir uns sehr freuen, aber es ist viel zu schwer nach Deutschland zu kommen. Ich bin mit Papa alleine gekommen. Wir sind nur gelaufen, der Mann hat gesagt, wir gehen mit Schiff, aber dann hab ich gesagt, ich will das nicht, weil ich hab Angst, wenn ich dann unter Wasser geh. Dann sind wir laufen gegangen, dreißig Stunden oder fünfzig Stunden, mit Pause. Aber wir auch manchmal waren mit Auto.”

Ich komme nochmal auf die Schule zu sprechen. „Wenn ich jetzt in Irak wäre”, sagt Nina, „dann wäre ich schon in der sechsten Klasse. Ich find in Deutschland gemein, weil da sind ganz viele Kinder von acht bis vier in der Schule. In Irak, da ist zwei Tage acht bis zwölf und manchmal zwölf bis vier Schule.”

Ihre Schwester erklärt: „Die kleinen Kinder gehen erst bis zwölf Uhr und die großen bis vier. Und dann tauschen wir immer.”

Möchtet ihr denn irgendwann einmal wieder zurück?

„Wohin? In Irak? ... Nein, ich will nicht”, antwortet Nina.

Ich frage, was den Mädchen hier nicht so gut gefällt. „Also für mich Deutschland ist das gleiche wie Irak gut”, meint Nina. Ihre Schwester nickt eifrig: „Gefällt mir alles!”

Nina fährt fort: „Hier ist das gleiche wie der Irak, aber die Häuser sind nicht die gleichen, zum Beispiel jeder hat sein eigenes Haus in Irak, in Deutschland nicht. Wir haben auch ein eigenes Haus, das ist da jetzt ganz alleine, leer. Unser Haus ist rot, da sind noch mehrere Häuser rot.”

„Das Dach oben ist nicht so wie hier, es ist einfach gerade”, wirft Luna ein.

„Das ist flach”, erklärt Nina, „darauf kann man spielen, aber da muss man aufpassen, da bin ich einmal runtergefallen, aber da ist nichts passiert.”

Nach einer Pause erzählt sie: „Wir sind froh, dass wir da jetzt nicht sind, weil da alles kaputt ist. Neben uns in unserer Stadt, ganz nah, in dem Haus war eine Bombe drin, alles kaputt, da haben wir Angst gehabt, da hab ich lange nicht geschlafen. Das war öfters, da sind wir ganz froh, dass unser Haus noch nicht kaputt ist, meine Oma passt immer auf.”

Wir warten

Hamudi (15) aus Syrien

„Ich komme aus Damaskus. Ich habe zwei Brüder, einer ist zehn Jahre alt, einer sechs Jahre, meine Mutter ist auch mit. Mein Vater ist in Syrien gestorben, aber mein Opa hat mitgekommen nach Deutschland. Und ich habe eine Tante, eine kleine Tante, ist zwölf Jahre alt, ist jetzt bei uns. Meine Oma ist seit sechs, sieben Monaten in Griechenland, dort aber hat zu gemacht. Wir warten. Wir haben gesagt, sie kann mit Flugzeug kommen, aber alle Papiere verloren. Wir brauchen neue Papiere mit Stempel von deutsche Botschaft in Beirut.”

Hamudi spricht leise, ernst und konzentriert.

„Ich war in der Türkei, in Istanbul, ich habe einer Ärztin geholfen, fast sechs Monate, sie hat mir erklärt das und das. Dann wir haben nach Deutschland gekommen, und ich habe in die Schule gegangen. Ich spiele auch Fußball, ich habe jetzt Spielerpass und spiele immer weiter, geht immer besser, vorne im Sturm, ich schieße auch viele Tore. Und ich hab auch viele Freunde beste gefunden und ich hab mehr Deutsch gelernt. Ich bin schon ein Jahr in Deutschland. Besser alles, sehr.”

„Ich hab viele Menschen, gute deutsche Menschen gefunden, alles ist schön, meine Betreuerin ist wie meine Oma. Wenn ich bin größer, ich möchte Pilot werden, Flugzeug fahren. Oder Arzt.”

Und den Simon

Shahed (9) aus Syrien mit Amina und Shler (beide 8) aus dem Irak mit Diana, Liv und Lena (alle 9 Jahre alt) aus Deutschland

Kurz vor den Weihnachtsferien. Sechs Mädchen an einem Tisch. Statt Mathematik und Deutsch gibt es Mandarinen, Erdnüsse und Schokolade.

Und ein Interview, ein großes Kinder-Interview.

Livs sorgfältig vorbereitete Eingangsfrage, was die geflüchteten Kinder denn am meisten vermissen, findet nur wenig Interesse. Amina vermeldet lieber etwas Schöneres: „Morgen wir feiern hier, Weihnachtsfeier, meine Mama bringt Kuchen!”

Und wie feiert ihr das neue Jahr?

„Wenn ein neues Jahr beginnt, dann wir anziehen Kleider und gehen raus, wir nehmen was Essen mit, Reis und sowas, wir machen mit zwei Familien, drei Familien, wir essen zusammen. Und wir kriegen Geschenke am ersten Januar.”

Das Gespräch hüpft eine Weile hin und her zwischen Schule, Michael Jackson, ihren Kosenamen und den Geschwistern. Shahed kommt bei diesem Thema in Fahrt. Der Reihe nach fragt sie die deutschen Mädchen:

„Hast du Bruder?” — „Nein, ich habe eine große Schwester.”
„Hast du Bruder?” — „Äh, nein, Schwester.”
„Hast du Bruder?” — „Nein.”

Shahed ist amüsiert. „Alle hat kein Bruder!”

Das möchte Diana nicht auf sich sitzen lassen: „Aber wir haben alle eine Schwester ...”, sie scheint nicht ganz zufrieden mit ihrer Antwort, „... obwohl ... meine Katzen sind meine Brüder!”

„Wenn man das so sieht, dann hab ich auch einen Bruder: meinen Hund”, fügt Liv schnell hinzu.

Lena hat keine Haustiere, aber Shler meldet sich: „Ich hab zu Hause einen Fisch gehabt und einen Vogel, und dann hat eine Katze ihn gefressen.”

Ein folgender Wettstreit über die Anzahl der Häuser geht klar an Shahed. „Ich habe drei Haus: Syria, Türkei und Deutschland.”

Kleiner Durchhänger. Schließlich besinnt sich Liv wieder auf ihre vorbereiteten Fragen. „Wie ... durch den Krieg ... ihr seid ja zu Fuß hierhergekommen, nicht?”

Amina antwortet als erste. „Nein, ich hab mit Wasser gekommen. Zuerst mit Schiff, dann ist ein Auto gekommen, viele Autos, und dann ein Bus gekommen. In dem Schiff alle Familien waren drin.”

Shahed zappelt ungeduldig auf ihrem Stuhl herum: „Ich hab gekommen mit dem Wasser, und dann ich hab Wasser nochmal, und dann ich hab gegangen, und dann Auto, und dann hat Mann gesagt, musst du bleiben im Haus, habe kein Essen …”

Es ist still im Raum geworden, alle hören aufmerksam zu.

Shahed erzählt weiter: „Wir haben einmal, im Wasser, und dann hat Mann gesagt, bleib da, in Haus, kein Essen. Dann wir haben genehmt Essen, und dann am Nacht, wir haben gegangen, und dann Mann nochmal hat gesagt, musst du gehen, dann wir müssen gehen nochmal. Und dann, auch nochmal am Nacht, wir haben gegangen in Wasser, haben geschafft. Und dann ...”, Shahed spricht schneller, „... ich sitze unten, unten, und ich kann nicht, den Wasser, alles ist so viel, mein Jacke und mein Pullover, alles ist Wasser. Und dann wir sind da und dann haben gegangen zu Auto, laufen, laufen, laufen, und dann haben nochmal Auto — und wir sind da.”

Shahed atmet auf. Aber ihre Geschichte geht noch weiter.

„Und dann wir sind in Deutschland, Mann hat gegeben mir und meiner Mutter Jacke, weil wir sind kalt, kalt. Und dann ich hab verloren meine Mutter, ich seh gar nicht mehr meine Mutter, da ist meine Mutter aus dem Wasser. Ich sage ‚Mama!’ Und dann ich hab gegangen mit, wo ist meine Mutter. Ich habe Angst.”

Diana, Lena und Liv sind erleichtert, dass Shaheds Bericht nun zu Ende ist. Ich frage die Mädchen, ob sie sich schon mit anderen Kindern angefreundet haben.

Liv spricht leise und langsam: „Ich fühle ... irgendwie ... mag ich die Shahed sehr gerne.”

Shler fügt hinzu: „Ich mag die Mariana in der dritten Klasse.” Dann, vorsichtig, nach einer kleinen Pause: „Und den Simon.”

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